Donnerstag, 30. Juli 2020

Es arbeitet. Veränderung, Verarbeiten und Erkenntnisse

Jetzt bin ich schon seit 6 Monaten wieder zurück in Deutschland. Unglaublich, wie die Zeit vergeht. Unglaublich, wie schnell man sich wieder einlebt und und umgewöhnt. Die ersten Wochen fielen mir unglaublich schwer, ich fiel quasi in ein Loch, war depressiv gestimmt und wollte die Situation nicht annehmen und akzeptieren. Jetzt, 6 Monate später, ist alles wieder prima. Ich habe die Situation angenommen und akzeptiert weil ich tief in mir drin ja auch weiß: Alles hat einen Grund, alles wird gut!
Einerseits ist China schon wieder so weit weg, andererseits aber auch noch dermaßen präsent.

Das Organisatorische ist nämlich immer noch nicht abgeschlossen. Meine Sachen sind immer noch unterwegs bzw. inzwischen endlich beim Zoll angekommen (und zum Teil sogar zurück zum Versender geschickt) und meine Verträge laufen auch noch weiter. 

Trotz das ich jetzt schon so lange wieder hier bin und auch hier bleiben werde, gilt es, Dinge, die so weit weg sind, nicht zu vergessen. Zum Beispiel regelmäßig Guthaben auf meine SIM-Karte zu laden, damit das WLAN, welches nur persönlich gekündigt werden kann, abgebucht werden kann. Bin ich 3 Monate im Verzug, wird meine SIM-Karte gesperrt. Das wiederum würde bedeuten, dass ich keinen Kontakt mehr mit meinen Chinesischen Freunden und Bekannten halten könnte.
Weil in China gibt man sich nicht die Handynummer, da gibt man sich den QR-Code für WeChat und dem entsprechend habe ich von so gut wie niemandem die Handynummer. Zumal die ja auch nicht wirklich was bringen würde, da die wenigstens Chinesen mit WhatsApp kommunizieren...

Also heißt es, solche Sachen immer im Hinterkopf zu haben :)

Jetzt habe ich mich also wieder eingelebt, eingewöhnt und es ist alles wie vorher.
Ist es wirklich wie vorher?

Nein, ist es natürlich nicht. Die Surroundings sind die selben. Selber Arbeitsplatz, selbe Arbeitskollegen, selbes zu Hause. Es ist irgendwie so wie eine Zeitkapsel. Als wäre ich nach China gegangen und die Welt drum herum stand still. Ich war weg und jetzt bin ich wieder da. Schon komisch...
Aber sonst ist doch irgendwie alles anders.

Weil ich mich verändert habe. 

Zu Hause fühle ich mich wohl, viel wohler als in der Ferienwohnung oder der Wohnung meiner Großeltern. Aber das zu Hause-Gefühl fehlt irgendwie. 
Wird es mit den noch fehlenden Sachen wieder kommen?
Wird es je wieder kommen? Oder wird es für immer verschwunden sein?

Und woran liegt es?
Liegt es an der Wohnung oder liegt es an mir?

Vielleicht liegt es daran, dass ich jetzt viel öfter zu Hause bin.
Habe ich vor China im Schnitt 3-4 x die Woche in meinem eigenen Bett, in meiner Wohnung geschlafen, sind es jetzt 6-7 x die Woche.
Vielleicht sehe ich meine Wohnung deshalb nicht mehr so als Base und Rückzugsort wie vorher, weil ich jetzt die meiste Zeit hier bin.

Wird sich das nach Corona wieder ändern?
(Wird es überhaut ein "nach Corona" geben?)
Oder liegt das auch wieder an mir?

Daran, das ich ruhiger geworden bin, es mir nichts mehr ausmacht, alleine zu Hause zu sein, ich nicht mehr das Gefühl habe, dass ich etwas verpasse?
Ich es sogar mehr denn je genieße, mehrere Tage am Stück alleine zu sein, alleine zu Hause. Nichts tun zu müssen, nichts zu verpassen.

Irgendwie ist dieses Gedankenkarussell im wahrsten Sinne des Wortes ein Karussell. Es dreht sich im Kreis. Ich drehe mich im Kreis mit meinen Fragen. Die eine Frage wird von einer anderen Frage beantwortet, und von einer wieder anderen in Frage gestellt.

Ja, ich habe mich verändert.
Ich denke, mehr als mir bewusst war. Ich denke, ich bin gerade dabei das alles so richtig krass zu verarbeiten. Oder ich kann es mir einfach nicht erklären, was gerade los ist.

Ich bin zufrieden, definitiv. Ich habe mich nicht einfach damit abgefunden, China nicht abgeschlossen zu haben, sondern es ist wirklich in Ordnung. Es hat mich weiter gebracht, persönlich wie sicherlich (später mal...) auch beruflich.

Ich weiß - wie immer - nicht so genau, was ich will, aber ich weiß mehr denn je was ich nicht will. Ich will nicht dieses sesshafte, häusliche Leben (und schon gar nicht in Deutschland!!). Ich will nicht für immer im selben Ort wohnen, in der selben Firma mit den selben Arbeitskollegen zusammen arbeiten (Selbständigkeit will ich aber auch nicht). Ich will nicht, das sich alles wie ferngesteuert und vorherbestimmt anfühlt. Ich will mein Leben nicht nach "der Norm" ausrichten.

Ich will Abenteuer. Ich will Freiheit. Ich will Abwechslung. Ich will Selbstbestimmung. Ich will Länder, Leute, Sitten, Kulturen kennen lernen, ich will Sprachen lernen, ich will die Schönheit der Welt sehen und ich will das Große Ganze besser verstehen. Ich will wachsen, ich will meinen Horizont erweitern, noch mehr über den Tellerrand hinausschauen, ich will Persönlichkeitsentwicklung.

Ich will die Mitte zwischen Hier oder Dort. Vor allem will ich selbst entscheiden.
Was ich mir gut vorstellen kann:

Entsendungen in verschiedene Länder. Da hab ich ja das Glück, in einem globalen Konzern zu arbeiten, der sowas mit Sicherheit hergibt. (Und wenn nicht, gibt es noch soooo viele andere, global aufgestellte Firmen und Konzerne, bei denen ich es versuchen könnte...)
Weil für immer Auswandern, dass kann ich mir wiederum nicht vorstellen :D

Oder sowas in die Richtung 2-3 Jahre arbeiten und dann ein halbes Jahr frei.
Um zu Reisen, um den Sehnsüchten und Träumen nachzugehen. Zeit haben für mich. Freiheit. 

Sowas in die Richtung, das wünsche ich mir, für mich und meine Zukunft.

Vielleicht ändere ich auch irgendwann meine Meinung, weil etwas anderes dazwischen kommt, dass neue Prioritäten setzt. Wer weiß das schon, Hauptsache ist, ich entscheide selber und niemand anderes entscheidet für mich!!!

Und noch etwas, was sich grundlegend verändert hat, seit ich von China zurück bin. Ich nehme nun auch hier, in Deutschland, im Alltag, die Schönheit von allem viel mehr wahr. Hat es sich in den letzten Jahren vor China alles so trost- und lieblos für mich angefühlt, hatte ich ständig Fernweh und fieberte der nächsten Reise hinterher, weiß ich nun zu schätzen, was ich alles um mich herum habe.
Ich habe in China durch die Veränderung gelernt, das direkte Umfeld mit offenen und wachsamen Augen zu beobachten. Und ich habe es beibehalten.

Ganz schön viele Erkenntnisse, die ich da in den letzten 6 Monaten hatte. Und so wie es sich gerade anfühlt, in mir, wird sich da auch noch einiges tun. Ich darf geduldig sein und weiter verarbeiten und mich auf weitere Erkenntnisse einlassen.

Ich freue mich!