Dienstag, 7. April 2020

Ich bin zurück - in Deutschland

Ich bin wieder zurück. Zurück in Deutschland. Dauerhaft. Nicht mehr nur auf unbestimmte Zeit. Vor zwei Wochen wurde dies von meiner Firma entschieden. Auf Grund der aktuellen Lage (die Regulierungen werden nach wie vor beinahe täglich verschärft) ist das auch die einzige sinnvolle und planbare Entscheidung. Wenn auch nur für den Kopf. Für den Bauch und das Herz ganz und gar nicht!
Ich wünsche mich wieder nach China, ganz ganz dolle, aber momentan muss man der Realität eben ins Auge blicken und akzeptieren, dass das jetzt nicht geht.

Ich möchte nochmal ganz von vorne beginnen.

Meine Firma hat mich am 01.03.2019 nach China entsannt. Geplant waren zwei Jahre. 11 Monate habe ich erfolgreich abgeschlossen, dann wurde ich wieder nach Deutschland geholt. Wegen Corona bzw. Covid-19.

Die Rückholung lief als Dienstreise. 
Während dieser Dienstreise war ich weiterhin in China angestellt, habe meinen Lohn von China bezogen und meine Steuern an den chinesischen Staat bezahlt. Laufen kann so eine Dienstreise maximal 2 Monate, danach will der deutsche Staat wieder was.

Ich habe also einen Unterbrechungsvertrag für eben diese zwei Monate inklusive Ferienwohnung und Leihwagen bekommen.

Geplant war, meinen China-Aufenthalt zu pausieren bis sich die Lage in China wieder entspannt hat und dann zurück nach China zu gehen um auch das zweite Jahr erfolgreich abzuschließen. Das ist nun aber leider nicht mehr möglich. Jedenfalls nicht jetzt. Und ganz bestimmt auch nicht mehr in diesem Jahr.

Deshalb habe ich einen Beendigungsvertrag unterschrieben, der meinen Entsendevertrag aufhebt. Seit dem 1. April bin ich offiziell wieder in Deutschland tätig, erhalte und bezahle deutsche Sozialleistungen und auch der deutsche Staat bekommt wieder Geld von mir in Form von Steuern.

Diese Tatsache macht mich unfassbar traurig, nach wie vor.
China ist nicht abgeschlossen. Es wurde die Entscheidung getroffen, mich rauszureißen. Dann hing ich in der Luft. Dann wurde die Entscheidung getroffen, dass China nun beendet ist. Mitspracherecht hatte ich keins.

Es tut mir in der Seele weh, dass ich einfach gegangen bin, ohne mich von Freunden und Arbeitskollegen, Lehrern und Bekannten zu verabschieden. Ich habe im letzten Jahr so viele tolle Menschen kennen gelernt, Freundschaften sind entstanden und gewachsen und nun steht das alles auf Stand-by. 
Sicher werde ich all diese Menschen wieder sehen und mich nachträglich ordnungsgemäß verabschieden können.

Aber zum jetzigen Zeitpunkt kann niemand sagen wann das sein wird.

Zusätzlich zum Gefühlschaos stehe ich jetzt natürlich auch vor zahlreichen weiteren, organisatorischen Problemen.

Meine aktuelle Wohnsituation sieht folgendermaßen aus:

Ich wohne nach wie vor, bis voraussichtlich 30.06.2020 in der Ferienwohnung, die meine Firma für mich mietet. Laut Entsendevertrag bekomme ich für 3 Monate nach meiner Rückkehr aus China eine Wohnung und ein Fahrzeug gestellt. 

Meine Wohnung ist noch besetzt. Ich hoffe, dass mein Kumpel bis zum 30.06 was eigenes findet, damit ich wieder einziehen kann. Ansonsten muss ich mir dann was anderes überlegen. Es wird sich gegebenenfalls schon eine Lösung finden, auf der Straße werde ich wohl nicht schlafen müssen :D


Noch am selben Tag als ich das geschrieben habe, bekam ich die Info von meinem Kumpel, dass er direkt eine Wohnung gefunden hat und sogar noch vor dem 30.06 ausziehen wird! Dann habe ich hier zumindest schon mal ein Problem weniger.

Meine Wohnung in China, die gibt es noch.
Die läuft noch bis 15.05.2020, dann endet dort der Mietvertrag. 

Da man am Anfang der Krise deren Ausmaße noch nicht ausmachen konnte, wurde von mir und meiner Firma gemeinsam entschieden, nicht komplett auszuziehen, sondern nur das nötigste und persönlichste mit nach Deutschland zu nehmen. So habe ich das gemacht und der Rest ist nach wie vor in China.

Hier fängt dann jetzt das Chaos an!

Ich muss jetzt quasi aus einer Wohnung ausziehen, ohne selbst vor Ort zu sein. Klingt komisch? Genau so fühlt es sich auch an.

Die erste Problematik: 
Die Schlüssel. Diese habe ich logischerweise mit nach Deutschland genommen. Weil als ich die Türe das letzte Mal abgeschlossen habe, bin ich davon ausgegangen, dass ich zurück kommen und die Türe wieder aufschließen werde.
Glücklicherweise habe ich einer Freundin in Suzhou einen Satz Schlüssel da gelassen. Dieser ist inzwischen auch bei meiner Firma angekommen.

Wir gehen nun so vor:

Ich habe letzte Woche eine Liste mit allen Sachen (außer natürlich denen, die ich vergessen habe...) an meine Arbeitskollegen in China geschickt. Von dieser Liste lässt sich entnehmen, was aus der Wohnung zurück nach Deutschland soll, und was in China bleiben soll. Denn: Die Wohnung war ja voll möbliert und zum Teil auch ausgestattet. Man kann also nicht einfach alles einpacken. Einige Sachen gehören mir gar nicht :D

Im Laufe der Woche werden meine Kollegen dann also alles was ich aufgeschrieben habe, zusammen packen. Die Sachen kommen dann erstmal in die Firma und dann wird weitergeschaut, wann und wie das alles nach Deutschland verschifft werden kann.

Ich bin gespannt wie gut oder weniger gut das klappt, ich lasse mich überraschen und werde wieder berichten.

Und dann sitzt noch mein Geld in China fest. 
Als ich nach China gekommen bin, habe ich logischerweise auch ein chinesisches Bankkonto eröffnet, auf das mein Gehalt bezahlt wurde. Und genau auf diesem Konto sitzt mein Geld nun fest und ich weiß noch nicht, wie ich es nach Deutschland transferiert bekomme.

Es ist gesetzlich verboten, Geld aus China auf ein ausländisches Konto per Onlineüberweisung zu transferieren. Zumindest für Privatpersonen. Dies stellte mich zu Beginn schon auf die Probe: wie kann ich Geld von meinem chinesischen Konto auf mein Deutsches Konto überweisen, um meine laufenden Kosten in Deutschland zu bezahlen?

Weil es nun eben nicht möglich ist, einfach einen Betrag X zu überweisen, und mir die Lösung von der Bank, nämlich jeden Monat persönlich einen Antrag zu stellen, nicht gefallen hat, habe ich es folgendermaßen gelöst: 

Ich habe bei der selben Bank ein zweites Konto eröffnet. Nun ist es mir möglich, via Onlinebanking einen Betrag vom einen Konto auf das andere zu überweisen. Die Karte vom zweiten Konto habe ich meinen Eltern dann mit nach Deutschland gegeben, als sie mich im Juni in China besucht haben. 
Meine Eltern haben dann einmal im Monat Geld vom chinesischen Konto abgehoben, auf ihr Konto eingezahlt und auf mein Konto überwiesen. Ihr seht schon, schon damals nicht ganz easy :D

Ja, nun könnte ich ja das Konto von Deutschland aus leer räumen, indem ich das Geld bar abhebe und auf mein deutsches Konto einzahle.

Da kommt dann aber schon das zweite Problem:

Es gibt Limits. Ein Limit pro Transaktion, ein Limit pro Woche und ein Limit pro Jahr. Und sobald dieses Limit erreicht ist, kann ich dann von Deutschland aus kein Geld mehr abheben.

Die Überlegung war, dass ich einem meiner Kollegen eine Vollmacht ausstelle, dass dieser den Antrag der Überweisung stellen kann. Erstens stehe ich dem etwas kritisch gegenüber, weil es sich um eine Summe und nicht nur um 100€ handelt und zweitens gibt's auch hier schon wieder Probleme.

An und für sich wäre so etwas mit einer Vollmacht machbar. Aber: Die Vollmacht alleine reicht nicht aus. Mein Kollege würde auch meinen Reisepass und meine Bankkarte benötigen.

Und diese Dokumente jetzt nach China zu schicken, ist auch nicht gerade die beste Idee.

Es bleibt also auch hier spannend!!!

Und wie fühle ich mich nun damit?
Mit dieser Entscheidung. Mit dieser Situation. Mit diesen "Problemen".

Also sagen wir so: es ist okay.
Es ist nicht so wie ich es geplant und mir vorgestellt habe, ganz klar. Meine Gefühle schwanken, zum Teil möchte ich einfach laut schreien oder weinen, weil ich so traurig bin. 

Als mir die Nachricht übermittelt wurde, war ich sauer. Sauer, wütend, angepisst und absolut nicht damit einverstanden. Ich denke, das lag auch an der Person mit der ich das Gespräch hatte und am Gespräch selber. Es ging nur darum, mir die "Zahlen, Daten, Fakten" zu vermitteln.

- China ist beendet.
- Ab sofort bist du wieder in Deutschland tätig.
- Hier der Beendigungsvertrag, den gehen wir jetzt durch...

So lief das. Über Emotionen, Ängste und Wünsche wurde nicht gesprochen.
Offene Fragen wurden mit "Vielleicht könnte man...." abgetan. Und es wurde deutlich das das eigentlich nicht interessiert und ich mich darum doch am besten selber kümmern soll.

Am nächsten Tag hatte ich nochmal ein Gespräch, und zwar mit meinem Chef. Nach diesem Gespräch habe ich mich direkt besser gefühlt.
Auch hier wurden die "Zahlen, Daten, Fakten" nochmals besprochen. Es wurde aber auch darüber gesprochen, wie ich mich fühle. Das er nachvollziehen kann, wie ich mich fühle. Dass China nicht beendet ist, sondern nur der "Daueraufenthalt". Dass ich so schnell wie möglich für eine Dienstreise nach China geschickt werde, um abzuschließen. Dass ich auch in Zukunft des Öfteren in China sein werde, um Projekte zu betreuen etc.

Das ist natürlich nicht das Selbe, aber mir fiel ein Stein vom Herzen.
Verständnis ist so unglaublich wichtig!!!

Nun, 2 Wochen später habe ich, wie ihr euch sicher denken könnt, ausgiebig über alles nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es okay ist, so wie es ist.

Vielleicht war es einfach jetzt schon an der Zeit, wieder zurück zu kommen.
Vielleicht darf ich das im letzten Jahr Gelernte und Erlebte erstmal richtig verarbeiten.
Vielleicht brauche ich gerade etwas ganz anderes.
Vielleicht ist ein Jahr alleine sein genug.

Ich weiß es nicht, aber ich kann es akzeptieren.

Denn es ist doch so:

Für jede Türe, die sich schließt, öffnet sich eine neue. Wenn ein Kapitel beendet ist, beginnt ein neues. Es geht immer weiter. Mit neuen Möglichkeiten und Chancen. Man muss einfach die Augen, das Herz und den Geist offen dafür haben. In dieser Situation die Möglichkeiten, die sich in Zukunft vielleicht auftun werden, willkommen heißen und annehmen.

Das Universum hat seinen Plan.
Ich bin 100% sicher, dass es nicht der Plan des Universums ist, dass es jetzt nicht mehr weiter geht. Deshalb halte ich die Augen offen und warte was das Universum noch so für mich bereit hält.

Was gibt es sonst zu berichten?

Ich hatte ja ziemlich zu Beginn ich China mit Chinesischunterricht begonnen, zu dem ich zweimal die Woche gegangen bin. Und ich mache weiter! :)
Der erste Kurs endet nach zwei Terminen. Eigentlich war von der Firma schon genehmigt, auch den Folgekurs zu übernehmen. Da ich nun allerdings nicht mehr nach China zurückkehren werde, hat sich das erledigt.

Aber ich mache trotzdem weiter. Ich bin gerade total motiviert, es macht Spaß, ich merke nach jeder Stunde wie ich weiter voran komme und grundsätzlich habe ich auch das Gefühl, dass ich dran bleiben sollte, dass es in der Zukunft schon für etwas gut sein wird...

Außerdem ist es bezahlbar und eine Investition in mich selbst!!

Sonst bin ich natürlich weiterhin in engem Kontakt mit meinen Kollegen und Freunden in China. Ich mag diese Art von Quelle lieber, um mich über die aktuellen Geschehnisse und die Situation vor Ort in China zu informieren. 

Ja, ein Ende scheint erstmal nicht in Sicht zu sein. Global betrachtet.
In dieser ungewohnten Zeit steht sicherlich jeder von uns vor seinen ganz eigenen und persönlichen Herausforderungen und Bedürfnissen. Bedürfnisse, die vor der Krise nicht da waren und nicht statt gefunden haben. Leicht hat es momentan sicher niemand. Alle müssen schauen, wie sie alles geregelt und unter einen Hut bekommen.

Ich hoffe einfach, es geht euch allen nach wie vor gut, ihr seit gesund, bleibt zu Hause und habt trotz allem ein tolles Osterfest!

In diesem Sinne - bis ganz bald :)