Sonntag, 23. Februar 2020

Wenn man einen Chinesen datet...

Im August vergangenen Jahres habe ich zufällig den Hwang in einer Ausstellung in Shanghai kennen gelernt. Er hat mich gefragt, ob ich ein Foto von ihm machen könnte, wir kamen ins Gespräch und haben spontan den Rest des Tages miteinander verbracht. Hwang ist Chinese, 31 Jahre alt und wohnt in Shanghai. Seine Hometown ist Chongqing. Am Ende des Tages tauschten wir unsere Kontaktdaten (WeChat) aus und blieben anschließend in Kontakt. Bereits ein paar Wochen später besuchte er mich das erste Mal in Suzhou. Seither treffen wir uns regelmäßig, etwa einmal im Monat.

In diesem Beitrag möchte ich gerne ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, über meine Erfahrungen, die ich bisher in dieser fremdsprachigen, interkulturellen Frau-Mann-Beziehung gemacht habe. Es ist nicht immer einfach, das ist es nie. Aber wenn man sich nur auf Englisch unterhalten kann, und dann auch noch aus einem ganz unterschiedlichen Kulturkreis kommt, treten da nochmal ganz andere Herausforderungen auf.

Viel Spaß beim Lesen :)


in Shanghai als wir uns kennen gelernt haben

Grundsätzlich sind Freundschaften und Beziehungen ja immer gleich aufgebaut:
2 Menschen die sich mögen und gerne Zeit miteinander verbringen.
Seit ich in China bin, ist die erste Hürde für eine Freundschaft oder Beziehung natürlich die Sprache. Man weiß ja manchmal schon in seiner Muttersprache nicht, wie man sich richtig ausdrücken soll, so das der andere einen wirklich versteht und keine Unklarheiten geschaffen werden. Oder das man nicht aus versehen jemanden verletzt.

Die zweite Hürde ist natürlich die Kultur. Unterschiedliche Gewohnheiten und Vorbilder, andere Gedankenansätze und ein anderes Mindset. 


Bei unserem letzten Treffen hatten wir solch eine Situation. Wir waren gemeinsam im Restaurant etwas essen. Während des Essens habe ich ihn angeschaut. Er meinte das sei "strange". Erstmal war mir überhaupt nicht klar was er damit meinte. Wieso ist es strange sich beim Essen in die Augen zu schauen?
Meine Antwort lautete ungefähr so: Everything about eating in China is strange.

Die Geschichte mit dem Eating muss wohl untergegangen sein.

Als wir später nämlich im Taxi saßen, meinte er, er mag es nicht, wenn ich behaupte, alles in China sei strange. Und so kam es zu einer Diskussion. Ich  versuchte ihm zu erklären, dass ich natürlich nicht ALLES in China strange finde, sonst wäre ich ja nicht da. Dass diese Aussage auf das Essen und die Essgewohnheiten bezogen war und ich das auch so gesagt habe. Er hat aber steif und fest behauptet, ich hätte gesagt, ALLES in China sei strange. Er war kaum zu besänftigen, dass ich es so nicht gemeint habe und auch wenn er sich sicher ist das so gehört zu haben, dass er mir doch jetzt einfach glauben soll, dass ich nur das Essen gemeint habe...

Das war zwar nur eine Kleinigkeit, etwas Belangloses und doch war die Situation schwierig und hat mich zugleich traurig und wütend gemacht.


An Hwangs erstem Besuch bei mir in Suzhou war eigentlich nur geplant, dass wir den Tag zusammen verbringen und ich ihm ein bisschen was zeige. Wie das aber oft so ist, entwickelten sich die Dinge dann doch ganz anders.
Wir ließen uns von der romantischen Sonnenuntergansstimmung am Jinji Lake anstecken. Er nahm meine Hand und küsste mich.

Stopp mal: Zärtlichkeiten austauschen in der Öffentlichkeit?

Da habe ich doch direkt nachgehakt.

Und ja, es stimmt. Eigentlich gehen Chinesen nicht so gerne in der Öffentlichkeit auf Tuchfühlung. Sie sind schüchtern. Sowohl Frauen als auch Männer. Und sie sind der Meinung, dass das in der Öffentlichkeit nichts zu suchen hat. Öffentliche Liebesbekundungen sehen laut Hwang eher nach "gamblen" (spielen, kämpfen) aus. Die Frau schubst und haut den Mann leicht (und meist ist sie sehr zickig) und er versucht, ihr auszuweichen oder sie auch leicht zu erwischen. Außerdem tragen Männer als Liebesbeweis die Handtaschen ihrer Angebeteten.
Warum er mich dann in der Öffentlichkeit küsst? Also, er sieht die Dinge etwas anders als die meisten seiner Landsmänner, besonders seit er im Ausland war.

abends am Jinji Lake

Hwang hat anderthalb Jahre in England studiert und ist daher mit der europäischen Mentalität etwas vertrauter. Das hat ihn in seinem Denken auch sehr beeinflusst. Er möchte als junger Mann ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben führen. Nicht heiraten und Kinder bekommen, weil die Kultur und Gesellschaft das so verlangt. Er möchte reisen, die Welt sehen, seine eigenen Erfahrungen machen. Was das angeht sind wir voll auf einer Wellenlänge und haben gute Gesprächsthemen :)

Wenn wir schonmal dabei sind:
Wie haben die Chinesen Sex? Auf was stehen sie?

Was ich mittlerweile mitbekommen habe ist, sie stehen auf Körperbehaarung. Und auf Füße. Am liebsten in Strümpfen.
Beides Dinge mit denen ich so meine Schwierigkeiten habe :D

Und nach Hwangs Erklärung sieht Sex bei Chinesen im Allgemeinen so aus:
Die Frau legt sich leichtbekleidet ins Bett. Dort wartet sie auf den Mann. Reizwäsche wird eher nicht getragen, auch dafür sind die meisten Chinesinnen zu schüchtern. Dann kommt irgendwann der Mann und darf halt mal ne halbe Stunde. Danach wird sich umgedreht. Der Akt ist vollzogen. Auf Vorspiel und Nachspiel wird wohl weniger wert gelegt.

Kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen, so leidenschaftslos. 

Maggie und ich (abends in der Bar kennen gelernt)

Nachdem wir am See gekuschelt hatten, kam dann die Überlegung, noch etwas Trinken zu gehen. Gesagt, getan. In der Bar unserer Wahl haben wir sogar noch ein paar Mädls kennen gelernt. Leider haben die so gut wie kein Englisch gesprochen... Hwang hat auch weiterhin Kontakt gehalten und so haben wir uns zu einem späteren Zeitpunkt wieder in der selben Bar getroffen.
Und da wurden wir dann für den nächsten Abend gemeinsam zum Abendessen eingeladen.

Das war übrigens auch meine erste Einladung von Locals, die mich zu sich nach Hause eingeladen haben. Aber auch bei einer solchen Verabredung gibt es einiges zu beachten, bzw. ist der Ablauf einfach anders als aus Deutschland gewohnt.

In der Bar wurden wir also gefragt, ob wir am nächsten Abend zum Essen kommen wollen. Ich wurde auch gefragt, ob es etwas gibt das ich besonders gerne oder aber auch überhaupt nicht essen möchte. Und das war dann auch schon alles. Keine Uhrzeit, keine Adresse, nichts außer morgen Abend bei Person X.

Irgendwann mittags habe ich Hwang dann gefragt, ob es etwas Neues gibt.
Nein. Können wir denn dann mal nachfragen? Nein. Aber warum denn nicht? So läuft das nicht. Wie läuft es denn? Sie wird sich melden und dann Bescheid geben. Aber wieso können wir denn nicht einfach kurz fragen, damit wir Bescheid wissen? Ist unhöflich. Aber was, wenn sie sich nicht meldet? Dann gehen wir nicht hin. Und was, wenn sie sich meldet und die Uhrzeit die sie nennt, ist zu früh (zeitnah) oder zu spät? Dann können wir immer noch absagen. 

Warum denn bitte so kompliziert???

Hwang war mit mir beim Oktoberfest

Auch dieses Thema war eine riesen Diskussion. Weil ich einfach so viel nachfrage. Weil ich noch nie von Locals zum Essen eingeladen wurde und nicht weiß, wie das so abläuft. Weil ich gerne weiß was auf mich zukommt und wann was statt findet. Weil ich es eben anders kenne.

Manchmal kann das schon echt anstrengend sein und man ist auch mal mit seinem Latein am Ende, weil man irgendwann einfach nicht mehr weiß, wie man sich ausdrücken soll. Oder weil er keine Lust mehr hat mir meine 1000 Fragen zu beantworten. Oder weil er denkt, ich weiß es besser und mache es nur anders weil ich es eben anders mache. Aber es ist spannend. Spannend wie so vieles das neu ist für mich. Ich möchte gerne lernen und mehr und mehr mit den Gepflogenheiten und Sitten in China vertraut werden. Egal wie anstrengend. Es bedarf eben sehr viel Zeit und Geduld und vor allem: miteinander sprechen.