Donnerstag, 13. Februar 2020

In der Luft hängen

Wie ihr wisst, bin wieder in Deutschland. Übergangsweise. Wegen dem Coronavirus. Und das mit gemischten Gefühlen. Ich bin quasi von einem Tag auf den anderen aus meinem derzeitigen Leben gerissen worden. Die Entscheidung, wieder zurück nach Deutschland zu gehen, war vermutlich die Richtige. Aber sie kam so plötzlich. Und jetzt hänge ich in der Luft, weis nicht wie es weiter geht und das fühlt sich doof an und ich bin unzufrieden. Zum Glück glaube ich ganz fest an den großen Plan, dass alles seinen Grund hat :)

Die Entscheidung, dass ich zurück nach Deutschland soll, wurde am 26. Januar getroffen, und am 30. Januar bin ich abgeflogen. Es ging alles ziemlich schnell. Ich hatte erstmal 1000 Fragen in meinem Kopf.

Wie sieht dieses zurück nach Deutschland jetzt aus?
Muss ich alle meine Sachen packen, und die Wohnung auszugsbereit machen? Oder reicht es, wenn ich erstmal das nötigste mitnehme?
Was passiert mit meinen Pflanzen (mal wieder...)?
Wie komme ich in Deutschland an mein Geld?
Wann sehe ich meine Arbeitskollegen, Bekannten und Freunde wieder?
Sehe ich sie überhaupt wieder?

Die Entscheidung war getroffen, aber irgendwie fühlte sich das nicht so ganz richtig an. So viele offene Fragen, über die anscheinend niemand außer mir nachdenkt. Wie kann ich nun einfach nach Deutschland und den Großteil meines Lebens hier zurück lassen, ohne zu wissen, was passiert, wie es weiter geht, wie lange ich weg sein werde, ob ich je wieder zurück kommen werde?



Und das war nicht das einzige was mir im Kopf rumspuckte. Auch die Tatsache das in Deutschland und in China ganz anders mit dem Coronavirus umgegangen wird und wir nicht wussten wie wir uns verhalten sollen, wenn wir wieder in Deutschland zurück sind beanspruchte Nerven. Die Maßnahmen in China sind sehr strikt. Alle (wenn man überhaupt von alle sprechen kann, da ja sowieso so gut wie niemand draußen unterwegs ist...) tragen Mundschutz. Der Dienst öffentlicher Verkehrsmittel wird eingeschränkt und teilweise sogar eingestellt. Sämtliche Sehenswürdigkeiten haben geschlossen. Firmen und Schulen haben länger geschlossen. Mehr und mehr Fiebermesskontrollen...
Und in Deutschland? Da heißt es von Seiten der Gesundheitsämter, Hausärzten und Unikliniken, nein, man wird nicht getestet und kommt nicht in Quarantäne, wenn man nicht direkt aus Wuhan kommt oder Symptome hat. Krank geschrieben wird man auch nicht. Solange unsere Bundesregierung keine Maßnahmen anordnet, ist man gesund...

Ihr seht schon, es gibt so viel worüber man sich in einer solchen Situation den Kopf zerbrechen muss. Und dann hat man auch noch das Gefühl, dass man die Einzige ist die das tut und das alle anderen entweder gar nicht nachdenken oder es einfach nicht für notwendig halten.



Einige der Fragen wurden gleich geklärt. Auch das ich gemeinsam mit meiner Freundin, die zu Besuch in China war, wieder zurück fliegen kann, und vor allem, dass sie da war!!  erleichterte mir das Packen und das schnelle Abschiednehmen. Und so packten wir mein wichtigstes Hab und Gut in einen Koffer, einen Reiserucksack und einen Handgepäckrucksack. Freundlicherweise packte sie auch noch das ein oder andere von mir bei sich ein :D

Als wir abhoben und so über Shanghai flogen, da wurde ich echt traurig. Wann werde ich dich wohl wieder sehen, Shanghai? Wann werde ich wohl wieder nach Hause kommen können...?


Als wir in Frankfurt landeten und so durch den Flughafen gingen, war ich wütend. Keine Fiebermesskontrollen, dafür aber verstopfte und übergelaufene Toiletten. Juhu, ich bin endlich wieder in Deutschland!!!

Die Menschen rissen sich quasi die Masken vom Gesicht. Jetzt sind wir alle wieder in Sicherheit, uns kann nichts mehr passieren. Wir können nun alle so weitermachen wie bisher. Als hätten diese Tage in China, an denen man wirklich nicht ohne Maske vor die Türe gegangen ist und an denen die Städte MENSCHENLEER waren, nie existiert.

Dazu kommt die Berichterstattung der deutschen Medien. Nach deren Angaben ist das Coronavirus das schlimmste was uns passieren konnte. Menschen ohne Ende sterben, es verbreitet sich schneller als die Buschbrände in Australien und die Chinesen, die machen doch sowieso alles falsch. Die haben zu spät berichtet und wieso essen die überhaupt Schlangen, Fledermäuse und rohe Tiere??
Wenn es denn so schlimm ist, wie berichtet wird, wenn Angehörige fragen "musst du jetzt in Quarantäne" oder "wurdest du direkt in Frankfurt getestet", warum passiert hier dann nichts?


Es ärgert mich ja nicht mal, dass nichts passiert, sondern einfach, dass das alles hinten und vorne nicht zusammen passt. Die Lage in China und wie dort vorbildlich gehandelt wird, Angst und Schrecken, durch die Medien verbreitet und das in Deutschland für Betroffene einfach alles ganz normal ist.

Dieses Gefühl zieht sich nun wie ein roter Faden, seit ich wieder in Deutschland bin. Gemischt mit Motivationslosigkeit. Verursacht von der Ungewissheit.
Dazu kommen wieder diese vielen Fragen.

Wann kann ich wieder nach Suzhou? In meine Wohnung?
Wird es dann ein letztes mal sein? Oder werde ich weiter dort wohnen?
Kann ich diese Mission China noch wie geplant abschließen?
Oder mich wenigstens von Menschen und Orten verabschieden? 
Wo werde ich langfristig in Deutschland wohnen, falls ich bleiben muss?


Es macht mich manchmal so verrückt, was sich wieder mit Motivationslosigkeit auswirkt. Nicht das es gerade nicht entspannt ist, bei meinen Eltern, freigestellt. Es ist wunderbar. Es tut gut. Aber ich freue mich auch, wenn dann nächste Woche, wenn ich wieder zur Arbeit gehe, wieder ein bisschen Alltag und Routine reinkommt. Abwechslung. Wie auch immer das dann aussehen mag. Aber irgendwie hängt das beides für mich ein bisschen zusammen. Es muss einfach wieder ein bisschen normaler werden, damit ich mich wohlerfühlen und das beste aus der Situation machen kann.

Jetzt bin ich einfach gespannt was die Zukunft bringt. Ich halte euch auf dem Laufenden :)
Diesen Beitrag habe ich übrigens mit Fotos vom letzten Jahr untermalt.