Donnerstag, 25. Juli 2019

Ein Tag und eine Nacht im Yuezi Hotel

Meine Freundin und ihr Mann sind vor 2 Wochen Eltern geworden. Sie hat mich eingeladen, sie während ihrer "Yuezi" zu besuchen. Also habe ich einen Tag und eine Nacht gemeinsam mit ihr in einem dieser besonderen Hotels verbracht...

Das sind übrigens meine Geschenke zur Geburt:
ein Badekleidchen, eine Kerze und Schokolade


Frischgebackene Mütter in China müssen die einmonatige Yuezi absolvieren.
Yuezi bedeutet übersetzt "to sit the month", was soviel bedeutet wie den Monat nach der Geburt im Bett zu verbringen. Das ist Tradition, schon immer so. Die Chinesen glauben, dass der weibliche Körper nach der Geburt einen Monat braucht um sich zu erholen, auszuruhen, zu regenerieren.

Es gibt einige Regeln.

Die Neumutter darf während des ersten Monats nicht das Zimmer verlassen. Sie muss im Bett liegen und sich ausruhen. Sie darf nicht duschen und sich nicht die Haare waschen. Lediglich eine "Katzenwäschen" ist erlaubt!

Außerdem darf sie nicht lesen, nicht fern sehen und maximal eine Stunde pro Tag am Handy rumspielen...
Die Augen müssen schließlich auch ausgeruht werden.

In der Vergangenheit waren die Regeln noch strikter.

Früher durften sich auch nicht die Zähne geputzt werden, es durfte keine Klimaanlage laufen, selbst den Raum lüften war verboten. Die Frau durfte das Bett quasi nur verlassen um auf Toilette zu gehen. Und das einen ganzen Monat lang. Es hat sich mit der Zeit alles ein bisschen gelockert, ist aber immer noch sehr streng und definitiv Pflicht.

Die Frau kann entscheiden - wenn es die finanziellen Mittel zulassen - ob sie ihre Yuezi zu Hause im Bett (begleitet von Ehemann und Schwiegereltern) oder in einem dieser "besonderen" Hotels (begleitet von Ärzten und Kinderkrankenschwestern) verbringen möchte.

Meine Freundin ist in einem dieser besagten Hotels.
Man kann sich das folgendermaßen vorstellen:
Man betritt ein ganz normales Hotel (augenscheinlich) mit Lobby im ersten Stockwerk, Speiseraum, Konferenzräumen und Hotelzimmern über mehrere Etagen. Den Unterschied macht das oberste Stockwerk.

sieht doch wie eine stink normale
Hotellobby aus, oder?

Dieses trägt den Namen "Postpartum Confinement".

(Meine Freundin liegt allerdings nicht hier, sondern ein Stockwerk tiefer, im normalen Hotelbereich. Sie hat mir gesagt, dass die Station schon voll ist und wenn das so ist, werden auch Hotelzimmer für die frischgebackenen Eltern zur Verfügung gestellt.)  

Das Bett ist ein Traum in Rosa :D


Es sieht aus wie auf Station im Krankenhaus. Ein langer Gang mit Zimmern, ein Schwesternzimmer, ein Raum in dem die Neugeborenen in ihren Bettchen liegen und ein Raum in dem die Neugeborenen gewaschen, gewogen und versorgt werden.

Die Mutter ist in einem der Zimmer und wird durch Ärzte und Schwestern versorgt und betreut, es gibt einen Koch der spezielle Mahlzeiten für die Mamis zubereitet. 5 Mahlzeiten am Tag, eine Menge Milch und Tofu, weil das die Milchproduktion fördern soll. Das Essen ist ungewürzt, Salz und Pfeffer etc. sind verboten. Es darf nichts anderes als diese speziellen Speisen gegessen werden.

Wenn die Mutter während ihrer Yuezi zu Hause ist, muss ihr Mann oder ihre Schwiegereltern oder wer auch immer ihr die Mahlzeiten zubereiten.


Meine Freundin hat gesagt, es ist viel zu viel, sie hat keinen Hunger, es schmeckt ihr nicht aber sie muss halt aufessen. Ja, sie hat es halt einfach in sich reingeschaufelt weil das eben so verlangt wird.

Die Mutter kann entscheiden, ob sie ihr Baby nachts bei sich haben will oder ob eine der Schwestern es mitnimmt und in die Babystation bringt. Dann wird das Baby nachts von den Schwestern mit Milchpulver gefüttert, die Mutter hat sich alle 2 Stunden den Wecker zu stellen und abzupumpen, oder sie behält das Baby bei sich und stillt es wie gewohnt.

Meine Freundin gibt ihr Baby nachts ab.

Grundsätzlich finde ich den Umgang der Eltern mit ihren Neugeborenen etwas gewöhnungsbedürftig. Es wirkt auf mich so distanziert. Nicht so wie ich das von Freunden aus Deutschland kenne, die ihr Baby die ganze Zeit bei sich auf dem Arm oder zumindest in ihrer Nähe haben.
Andere Länder andere Sitten...


Mal soviel an allgemeinen Informationen zur chinesischen Yuezi.
Nun berichte ich einfach mal von meinem Tag und meiner Nacht.

Als ich mittags im Hotel ankam, war meine Freundin gerade am Stillen.
Ihr Mann hat mich vom Bahnhof abgeholt und zu ihr gebracht.
Wenig später sind auch seine Eltern gekommen, haben selbst gekochtes, chinesisches Mittagessen mitgebracht. Es gab Dumplings, Schripms und Peking-Ente. War sehr lecker. Schade das meine Freundin nur zuschauen durfte...

Als das Baby gesättigt war, wurde die Schwester angerufen. Die kam dann, hat das Baby gewickelt und es anschließend mitgenommen und schlafen gelegt.
Wir haben uns ein bisschen unterhalten und als das Baby ausgeschlafen und wieder Hunger hatte, wurde es wieder von der Schwester gebracht.
Erneut wurde gestillt. Danach blieb das Baby aber den Rest des Tages bei uns, ich durfte es halten und es war ganz friedlich und hat die ganze Zeit über kein einziges Mal geweint.


Dann kam das Abendessen für meine Freundin, ihr Mann hat für sich und für mich etwas bestellt und wir haben alle zusammen gegessen.
Das Baby hat geschlafen. Dann wurde es ein letztes Mal für diesen Tag gestillt und gewickelt und gemeinsam haben wir es auf die Station gebracht und ich wurde kurz herumgeführt.

Als wir wieder im Zimmer waren, kam noch die Ärztin und hat meine Freundin untersucht. Es gab wohl Komplikationen bei der Geburt, sie wurde anschließend operiert. Die Geburt hat 30 Stunden gedauert.
Was genau da los war habe ich leider aufgrund meiner nicht ganz ausgeprägten Englischkenntnisse nicht verstanden...

Jedenfalls hat ihr Mann uns dann verlassen. Er ist nach Hause gefahren und hat zu Hause geschlafen. Normalerweise schläft er jede Nacht bei seiner Frau, aber nicht heute, heute bin ich ja da :)

Der Mann in China hat nach der Geburt seines Kindes 15 Tage Sonderurlaub, den er bei seiner Frau und dem Baby verbringen darf. 

Meine Freundin hat sich dann gewaschen und wir haben uns beide Bettfertig gemacht. Das war so gegen 20 Uhr. Sie war erschöpft und ich war es auch. Obwohl es für mich eigentlich kein anstrengender Tag war.
Wir haben uns ins Bett gelegt und noch ungefähr 2 Stunden geredet bis wir dann das Licht ausgeschalten und geschlafen haben.

Wir haben zusammen in einem Bett geschlafen.

Eigentlich dachte ich, die Chinesinnen seien eher etwas schüchtern was Nähe zu Fremden angeht - ich bin ja fremd, wir haben uns erst einmal gesehen und das war der erste geplante Besuch.
Ja, so kann man sich täuschen, sie war überhaupt nicht verschlossen oder distanziert mir gegenüber :)

Alle 2 Stunden hat ihr Wecker geklingelt und sie zum Abpumpen aufgefordert.
Die ersten beiden Male bin ich auch aufgewacht, danach nicht mehr.

Am nächsten Morgen kam um 7:15 Uhr das Frühstück, da bin ich dann auch aufgewacht. Meine Freundin hat ihren Mann angerufen der dann eine halbe Stunde später kam und mit mir gemeinsam im Hotel am Buffet gefrühstückt hat. (naja, eigentlich eher ich gemeinsam mit ihm)

Als wir wieder ins Zimmer kamen war das Baby wieder da. Hatte Hunger nach einer langen Nacht ohne seine Mami.
Auch die Großeltern väterlicherseits sind nicht viel später wieder eingetrudelt.
Wir haben noch ein paar Stunden zusammen verbracht und uns unterhalten und jeder hat mal das Baby auf dem Arm gehabt bis ich mich um 11 Uhr dann verabschieden musste und wieder zum Bahnhof gebracht wurde.



Es war ein wirklich schöner Tag und eine angenehme Nacht.
Es war das erste Mal seit viereinhalb Monaten, seit ich hier in China bin, dass ich wo anders bzw. bei jemand anderem übernachtet habe.
Es war sehr interessant mal hinter die Kulissen blicken zu können und mehr über die Yuezi zu erfahren.
Es war sehr anders, es war ein Abendteuer.

Ich bin froh das ich diese Einladung bekommen habe und das ich sie angenommen habe. Das ich mal sehen konnte, wie das bei chinesischen, frischgebackenen Eltern so abläuft. Auch wenn es mich etwas traurig gemacht hat, das man nicht so die Liebe gespürt hat.
Meine Freundin meinte, sie sei eigentlich auch gar nicht bereit dafür, Mutter zu sein, aber sie ist jetzt seit 2 Jahren verheiratet und da wird das dann eben von ihr erwartet.

Wie ich schon sagte, andere Länder, andere Sitten ;-)