Sonntag, 28. Juli 2019

China und die Überwachung

Während meiner Probewoche letztes Jahr im August war es schon sehr ungewohnt und beängstigend wie offensichtlich man hier überwacht wird. Alle paar Hundertmeter hängen Kameras auf den Straßen und überwachen den Autofahrer. Die Regierung kann quasi genau rekonstruieren, wo man lang gefahren ist und wie lange man wo geparkt hat. Eigentlich gibt es keinen Ort, der nicht irgendwie videoüberwacht ist.
Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt und meine Meinung zum Thema Überwachung geändert.


Für mich ist das ein ganz wichtiges Thema, diese Überwachung.
Hier in China ist sie offensichtlich. Wenn man ein Kaufhaus oder Hotel betritt, wird man gefilmt. Wenn man in einen Aufzug steigt, wird man gefilmt. Wenn man in ein Parkhaus, auf einen Parkplatz oder in eine Hoteleinfahrt fährt, wird man gefilmt. Ich habe das Gefühl, man wird sogar in manchen Taxis gefilmt.

WeChat, DIE App hier in China, mit der man sich textet, Fotos und Videos mit Gott und der Welt teilt, sich das Taxi und das Essen bestellt, sich mittels Scannen eines QR-Codes Tickets für Kino oder Veranstaltungen kauft, im Supermarkt, Restaurant und eigentlich an jedem x-beliebigen Mini-Stand bezahlt und sogar seine Nebenkosten begleicht, sendet alle Informationen an die Regierung.

Wohnsiedlungen sind videoüberwacht und die Eingänge sind beschrankt und 24 Stunden durch Sicherheitspersonal überwacht. Man kommt hier nur rein, wenn man eine Karte hat, mit der man das Törchen öffnen kann, oder wenn das Sicherheitspersonal dann weiß, das man hier wohnt. Auch für die Benutzung des Aufzugs im eigenen Haus benötigt man die Karte, und man kommt ausschließlich auf seine Etage, in Etage 1 und in die Tiefgarage. Will man in ein anderes Stockwerk, muss man das Treppenhaus nehmen.

Ich glaube, es gibt hier keine andere Form des Wohnens als diese Communitys, meistens eine Vielzahl an Hochhäusern und Zutritt nur für Bewohner.

Das Internet ist zensiert, auch das ist Überwachung.

Wenn ich länger nachdenken würde, würde mir sicher noch einiges Einfallen, dass ich aufzählen könnte...

Was halte ich also von dieser permanenten Überwachung?

Erstmal: Danke dafür, dass ich so offensichtlich überwacht werde.
In Deutschland werde ich nämlich auch überwacht. Aber da will man mich glauben lassen, dass meine persönlichen Daten geschützt sind und ich mich frei bewegen und frei meine Meinung äußern kann. 
Die meisten sehen das nicht so, glaube ich. Ich schon. 
Mir ist es lieber, dass ich weiß, dass ich überwacht werde und das ich weiß, das man mein Kaufverhalten, meine Essgewohnheiten, meine täglichen, wöchentlichen, monatlichen Ausgaben überblicken kann. Dass ich weiß, dass die wissen, mit welchem Zug ich wohin gefahren bin und in welches Hotel ich dann eingechekt habe.

Besser als dieses Vorgegaukle von Freiheit und dann wird man hintenrum über seinen Lautsprecher, mit dem man sich unterhalten kann doch ausspioniert und die Daten werden aufgezeichnet, weiterverarbeitet und ohne mein Wissen und mein Einverständnis weitergegeben...

Hier passiert das auch ohne mein Einverständnis, hier gebe ich damit, dass ich mich am Straßenverkehr beteilige oder diese App benutze, mein Einverständnis und hier ist es eben so. Aber hier passiert es offensichtlich und ich weiß es!!!

Es macht auch wirklich vieles einfacher. 

Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass ich diese "Überwachung" hier nicht mehr Überwachung nenne, sondern Sicherheit.
Ich fühle mich sicher. 

Sicher weil ich weiß, der Taxifahrer wird genauso überwacht wie ich und weil ich 1:1 sehen kann wo er hinfährt, genauso wie er sehen kann wo ich stehe.

Sicher weil ich weiß, wenn ich spät abends nach Hause komme, dass da niemand in den Büschen oder im Hausflur rumlungert, weil die Eingänge durch Security gesichert sind.

Und sicher weil ich weiß, dass man nachvollziehen kann, wohin ich zuletzt gefahren bin, wo ich zuletzt etwas bezahlt habe und von wo aus ich wem zuletzt eine Nachricht geschrieben habe, falls doch mal was passieren sollte.

Ich bin hier alleine, als Frau. Nur meine Arbeitskollegen kennen mich. Und inzwischen vielleicht noch eine Handvoll anderer Leute wie meine Chinesischlehrerin, der Mann von der Security oder die Damen beim Yoga. Ich fühle mich hier sicher und die Überwachung trägt dazu bei.

Deswegen habe ich aufgehört sie als etwas schlechtes zu sehen, sondern sie zu meinem Vorteil zu nutzen.

Bei uns in Deutschland - undenkbar.
Da will man frei sein und nicht überwacht werden. Da glaubt man frei zu sein und nicht überwacht zu werden. Da macht man sich keinen Kopf darüber, was alles hintenrum passiert. Man nimmt es hin das aufgrund von Datenschutzgesetzen alles so unglaublich kompliziert geworden ist und tritt sein Leben mittels Social Media dann doch selbst in der Öffentlichkeit breit. Weil man meint, hier zeigt man ja nur was man auch von sich zeigen will.

Ich bin kein Spezialist auf diesem Gebiet, aber wenn mir jemand sagt, dass stimmt nicht, dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln.

Ich befürworte die Überwachung in dem Stil wie China sie betreibt. Sie ist offen und ehrlich, sie ist eine Erleichterung im Alltag und sie vermittelt das Gefühl von Sicherheit.

Was meint ihr dazu?

Über einen Austausch zu diesem Thema und euren Gedanken und Meinungen würde ich mich sehr freuen! Schreibt mir gerne eine E-Mail (siehe Impressum) oder hinterlässt mir eine Nachricht bei Instagram.